Unerträgliche Fahrlässigkeit

Błażej Pascal - francuski matematyk, fizyk i religijny filozof
Blaise Pascal

[Français] On sait assez de quelle manière agissent ceux qui sont dans cet esprit. lis croient avoir fait de grands efforts pour s’instruire, lorsqu’ils ont employé quelques heures à la lecture de quelque livre de l’Écriture, et qu’ils ont interrogé quelque ecclésiastique sur les vérités de la foi. Après cela, ils se vantent d’avoir cherché sans succès dans les livres et parmi les hommes. Mais, en vérité, je leur dirais ce que j’ai dit souvent, que cette négligence n’est pas supportable. Il ne s’agit pas ici de l’intérêt léger de quelque personne étrangère, pour en user de cette façon; il s’agit de nous-mêmes, et de notre tout.

Qu’ils apprennent au moins quelle est la religion qu’ils combattent avant que de la combattre. Si cette religion se vantait d’avoir une vue claire de Dieu, et de le posséder a decouvert et sans voile, ce serait la combattre que de dire qu’on ne voit rien dans le inonde qui le montre avec cette évidence. Mais puisqu’elle dit, au contraire, que les hommes sont dans les ténèbres et dans l’éloignement de Dieu, qu’il s’est caché à leur connaissance, que c’est même le nom qu’il se donne dans les Écritures, Deus absconditus [Dieu caché]; quel avantage peuvent-ils tirer, lorsque dans la négligence où ils font profession d’être de chercher la vérité, ils crient que rien ne la leur montre?

Da Gott so verborgen ist, kann keine Religion, die nicht sagt, dass Gott verborgen ist, wahr sein; und keine Religion, die nicht den Grund für diese Verborgenheit angibt, ist fähig, uns zu unterweisen.

Blaise Pascal – Gedanken

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So muß Ich Mich hinter den Gedanken finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner. In der Geisterzeit wuchsen Mir die Gedanken über den Kopf, dessen Geburten sie doch waren; wie Fieberphantasien umschwebten und erschütterten sie Mich, eine schauervolle Macht. Die Gedanken waren für sich selbst leibhaftig geworden, waren Gespenster, wie Gott, Kaiser, Papst, Vaterland usw. Zerstöre Ich ihre Leibhaftigkeit, so nehme Ich sie in die Meinige zurück und sage: Ich allein bin leibhaftig. Und nun nehme Ich die Welt als das, was sie Mir ist, als die Meinige, als Mein Eigentum: Ich beziehe alles auf Mich.

Max Stirner – Der Einzige und sein Eigentum

Γνῶθι σεαυτόν

Erkenne dich selbst

Sowohl im Orient als auch im Abendland läßt sich ein Weg feststellen, der im Laufe der Jahrhunderte die Menschheit fortschreitend zur Begegnung mit der Wahrheit und zur Auseinandersetzung mit ihr geführt hat. Ein Weg, der sich — anders konnte es gar nicht sein — im Horizont des Selbstbewußtseins der menschlichen Person entfaltet hat.

Je mehr der Mensch die Wirklichkeit und die Welt erkennt, desto besser erkennt er sich selbst in seiner Einmaligkeit, während sich für ihn immer drängender die Frage nach dem Sinn der Dinge und seines eigenen Daseins stellt. Alles, was als Gegenstand unserer Erkenntnis erscheint, wird daher selbst Teil unseres Lebens.

Am Architrav des Tempels von Delphi war die ermahnende Aufforderung: Erkenne dich selbst! eingemeißelt — als Zeugnis für eine Grundwahrheit, die als Mindestregel von jedem Menschen angenommen werden muß, der sich innerhalb der ganzen Schöpfung gerade dadurch als »Mensch« auszeichnen will, daß er sich selbst erkennt.

Johannes Paul II – Fides et ratio

Der irregeleitete Geist

Während der ganzen theologischen Vergangenheit ist uns von religiösen Lehrern versichert worden, daß wir, wenn wir bestimmte Riten verrichten, bestimmte Gebete oder Mantras wiederholen, uns gewissen Normen anpassen, unsere Wünsche unterdrücken, unsere Gedanken kontrollieren, unsere Leidenschaften sublimieren, unsere Triebe eindämmen und uns sexueller Ausschweifungen enthalten, daß wir – wenn Geist und Körper ausreichend gefoltert sind – dann etwas jenseits dieses bedeutungslosen Lebens finden werden.

Aber ein gequälter Mensch mit einem zerbrochenen Geist, ein Mensch, der diesem ganzen Tumult zu entrinnen trachtet, der der äußeren Welt entsagt hat und durch Disziplin und Anpassung abgestumpft wurde, solch ein Mensch, wie lange er auch suchen mag, wird nur finden, was seinem irregeleiteten Geist entspricht.

Die Frage, ob es einen Gott gibt oder die Wahrheit oder die Realität oder wie Sie es sonst benennen mögen, kann niemals durch Bücher, Priester, Philosophen oder Erlöser beantwortet werden. Niemand und nichts kann diese Frage beantworten als Sie selbst; und darum müssen Sie sich kennen. Wenn man sich selbst nicht kennt, ist man unreif; sich selbst zu verstehen ist der Anfang der Weisheit.

Jiddu Krishnamurti – Einbruch in die Freiheit

Genius in sich

Nichts ist jämmerlicher als ein Mensch, der alles ergründen will, der die Tiefen der Erde, wie jener Dichter sagt, durchforscht und, was in der Seele seines Nebenmenschen vorgeht, zu erraten sucht, ohne zu bedenken, daß er sich genügen lassen sollte, mit dem Genius, den er in sich hat, zu verkehren und diesem aufrichtig zu dienen. Dieser Dienst aber besteht darin, ihn vor jeder Leidenschaft, Eitelkeit und Unzufriedenheit mit dem Tun der Götter und Menschen zu bewahren.

Unter den gebräuchlichsten Wahrheiten aber richte vorzüglich auf folgende zwei dein Augenmerk: erstens, daß die Außendinge mit unserer Seele nicht in Berührung, sondern unbeweglich außerhalb derselben stehen, mithin Störungen deines Seelenfriedens nur aus deiner Einbildung entstehen, und zweitens, daß alles, was du siehst, gar schnell sich verändert und nicht mehr sein wird. Und von wie vielen Veränderungen bist du selbst schon Augenzeuge gewesen! Erwäge ohne Unterlaß: die Welt ist Verwandlung, das Leben Einbildung.

Marc Aurel – Selbstbetrachtungen

Solus ipse. Was ist Solipsismus?

Nur sich selbst

  • Metaphysischer Solipsismus:

Nur das eigene Ich existiert. Nichts außerhalb des eigenen Bewusstseins existiert, auch kein anderes Bewusstsein.

  • Methodologischer Solipsismus:

Die Bedeutung konzipierter Begriffe hängt einzig von Bewusstseinszuständen des denkenden Subjekts ab.

  • Ethischer Solipsismus bzw. „Egoismus“:

Es ist rational, das eigene Handeln nur danach zu beurteilen und auszurichten, dass die eigenen Präferenzen (etwa eigenes körperliches Wohlergehen usw.) weitestmöglich erfüllt werden (und Präferenzen anderer überhaupt nicht mit in Betracht zu ziehen).

Esse est percipi

Sein ist Wahrgenommenwerden

Es besteht in der That eine auffallend verbreitete Meinung, dass Häuser, Berge, Flüsse, mit Einem Wort, alle sinnlichen Objecte, eine natürliche oder reale Existenz haben, welche von ihrem Percipirtwerden durch den denkenden Geist verschieden sei. Mit wie grosser Zuversicht und mit wie allgemeiner Zustimmung aber auch immer dieses Princip behauptet werden mag, so wird doch, wenn ich nicht irre, ein Jeder, der den Muth hat es in Zweifel zu ziehen, finden, dass dasselbe einen offenbaren Widerspruch involvirt. Denn was sind die vorhin erwähnten Objecte anderes als die sinnlich von uns wahrgenommenen Dinge, und was percipiren wir anderes als unsere eigenen Ideen oder Sinnesempfindungen? und ist es nicht ein vollkommener Widerspruch, dass irgend eine solche oder irgend eine Verbindung derselben unwahrgenommen existire?

Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind soeinleuchtend, dass man nur die Augen des Geistes zu öffnen braucht, um sie zu erkennen. Zu diesen rechne ich die wichtige Wahrheit, dass der ganze himmlische Chor und die Fülle der irdischen Objecte, mit Einem Wort, alle die Dinge, die das grosse Weltgebäude ausmachen, keine Subsistenz ausserhalb des Geistes haben.

George Berkeley – Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis

Unnum est necessarium

Eins ist Not

Ich habe viele Schriften gelesen, von heidnischen Meistern und von Propheten und vom alten und neuen Bund und habe mit Ernst und ganzem Fleiß gesucht, was die beste und höchste Tugend sei, mit der der Mensch sich auf dem nächsten Wege zu Gott verfügen könnte, und mit der der Mensch ganz gleich wäre dem Bilde, wie er in Gott war, indem zwischen ihm und Gott kein Unterschied war, bevor Gott die Kreaturen erschuf.

Und wenn ich alle Schriften durchforsche, so gut meine Vernunft zu ergründen und erkennen vermag, so finde ich nichts anderes als reine Abgeschiedenheit, die aller Kreaturen entledigt ist. Darum sprach unser Herr zu Martha: »unum est necessarium«, das heißt so viel wie: Wer getrübt und rein sein will, der muss eines haben, und das ist Abgeschiedenheit.

Johannes Eckhart – Von der Abgeschiedenheit


Lukas 10,38-42
38 Es begab sich aber, da sie wandelten, ging er in einen Markt. Da war ein Weib mit Namen Martha, die nahm ihn auf in ihr Haus. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich zu Jesu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40 Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: HERR, fragst du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie es auch angreife! 41 Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; 42 eins aber ist not. “

Die Welt ist meine Vorstellung

Dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektirte abstrakte Bewußtseyn bringen kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm dann deutlich und gewiß, daß er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; daß die Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung daist, d.h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist.

Arthur Schopenhauer – Die Welt als Wille und Vorstellung

Die Furcht vor der Freiheit

Die geistige Bezogenheit auf die Welt kann viele Formen annehmen. Der Mönch, der allein in seiner Zelle lebt, aber an Gott glaubt, und der politische Gefangene, der in Isolierhaft gehalten wird, sich aber mit seinem Mitkämpfern eins fühlt, sind seelisch nicht allein. Die Bezogenheit auf die Welt kann von hohen Idealen getragen oder trivial sein, aber selbst wenn sie noch so trivialer Art ist, ist sie dennoch dem Alleinsein noch unendlich vorzuziehen.

Die Religion und der Nationalismus oder auch irgendeine Sitte oder ein noch so absurder und menschenunwürdiger Glaube sind – wenn sie den einzelnen nur mit anderen verbinden – eine Zuflucht vor dem, was der Mensch am meisten fürchtet: die Isolation.

Erich Fromm – Die Furcht vor der Freiheit