Esse est percipi

Sein ist Wahrgenommenwerden

Es besteht in der That eine auffallend verbreitete Meinung, dass Häuser, Berge, Flüsse, mit Einem Wort, alle sinnlichen Objecte, eine natürliche oder reale Existenz haben, welche von ihrem Percipirtwerden durch den denkenden Geist verschieden sei. Mit wie grosser Zuversicht und mit wie allgemeiner Zustimmung aber auch immer dieses Princip behauptet werden mag, so wird doch, wenn ich nicht irre, ein Jeder, der den Muth hat es in Zweifel zu ziehen, finden, dass dasselbe einen offenbaren Widerspruch involvirt. Denn was sind die vorhin erwähnten Objecte anderes als die sinnlich von uns wahrgenommenen Dinge, und was percipiren wir anderes als unsere eigenen Ideen oder Sinnesempfindungen? und ist es nicht ein vollkommener Widerspruch, dass irgend eine solche oder irgend eine Verbindung derselben unwahrgenommen existire?

Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind soeinleuchtend, dass man nur die Augen des Geistes zu öffnen braucht, um sie zu erkennen. Zu diesen rechne ich die wichtige Wahrheit, dass der ganze himmlische Chor und die Fülle der irdischen Objecte, mit Einem Wort, alle die Dinge, die das grosse Weltgebäude ausmachen, keine Subsistenz ausserhalb des Geistes haben.

George Berkeley – Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis